Hexennacht
Da stand er, sein BMW, schwarz glänzend im Schein der Straßenlaterne, kein Stäubchen war zu sehen, so dass sie leicht glauben konnte, dass dieses Auto tatsächlich sein ein und alles war, wie einige der Kollegen im Büro munkelten.
Kaum dass sie erfahren hatte, dass er die heutige Nacht mit Freunden feiern wollte, war sie ihm nach der Arbeit gefolgt und nun stand sie hier und sah hinauf zu den beleuchteten Fenstern, hinter denen flackerndes Licht darauf hindeutete, dass die Party im vollen Gange war.
Sie hatte sich in ihn verliebt, in dem Augenblick, an dem er das erste Mal als neuer Mitarbeiter vorgestellt wurde. Sein Gesicht war wunderschön, aber doch männlich, seine Haltung aufrecht, gerade zu adlig und seine Stimme mit ihrem sonoren tiefen Klang hüllte einen in angenehme Wärme. Sie hatte ihm die kommenden Wochen Avancen gemacht, hatte mit ihren Gefühlen für ihn nicht hinter dem Berg gehalten und ihn auch mehr als einmal zu einem Abend- und später zu einem Mittagessen eingeladen, als sie dachte, der Abend wäre für ihn unverfänglicher. Doch er hatte jedesmal abgelehnt, auf eine charmante Art und Weise, so dass man ihm nicht böse sein konnte, aber eben doch abgelehnt. Da half es auch nichts, dass sie wusste, dass sie im Büro nicht die Einzige war, die ihn anhimmelte und der er eine freundliche Abfuhr erteilte.
Vor ein paar Tagen schließlich hatten sich ihre Gefühle gewandelt, als Kurt ihr erzählt hatte, dass der von ihr Angebetete sich über sie und ihre Avancen bei den anderen lustig machte und über sie herzog. Zugegeben Kurt war bekannt, dass er Dinge übertrieb und manches auch nicht stimmte. Doch sie hatte keine Sekunde daran gezweifelt, dass er diesmal die Wahrheit sagte.
Sie sah erneut zum Auto, fest entschlossen, es ihm heimzuzahlen. Und wann konnte sie das besser, als in dieser Nacht, in der jegliche Streiche mehr oder weniger ohne Konsequenzen für die Täter blieben.
"Dir werd ich's zeigen", murmelte sie, während sie eine der Behälter mit Rasierschaum, von denen sie im Discounter gleich mehrere gekauft hatte, aus ihrer Handtasche zog. Schnell war die Kappe gelöst, die Dose geschüttelt und dann ging es los. Mit dem bekannten Zischen leerte sich die Dose auf ihr erstes Ziel, die Windschutzscheibe.
Doch der Rasierschaum schien von der Scheibe abzuprallen, mehr noch, er schien ein Eigenleben zu führen, denn er formte sich neu, noch während sie auf den Auslöser drückte, und mit einem Mal tanzte der Schaum wie eine Girlande um sie herum, erst in Spiralen, dann in sich teilenden Kreisen.
"Darauf bin ich schon sehr gespannt", griff eine ihr nur zu bekannte Stimme ihre Worte auf und als sie sich mit immer noch offenem Mund staunend umsah, stand er vor ihr, wie aus dem Nichts gekommen.
Mit einem sanften Lächeln sah er sie aus seinen dunklen Augen an, während der Schaum mit einem nassen Klatschen zu Boden fiel. Und auf einmal war es, als gäbe es nichts anderes auf der Welt als ihn und sie konnte nicht anders, als seinen Blick zu erwidern wie magisch angezogen. Und als sie sich im nächsten Moment in den Armen lagen und leidenschaftlich küssten, verschwand die Welt um sie herum, während sie meinte zu schweben, begleitet von unzähligen freudig lachenden Stimmen und leisem Beifall ...
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