Da ich persönlich eher auf die subtilere Spielart des Horrors - also den Grusel - stehe, fühle ich mich etwas im Zwiespalt.
Zum einen muß ich dir eingestehen, das deine Geschichte sauber und packend geschrieben ist. Sie weist also kaum Schreibfehler auf und sie geht auch nicht spurlos an einem vorrüber. Aber nicht wegen der, wahrscheinlich bewußt realistischen Beschreibung des Videoclips oder durch die, absichtlich gewählte prosaische Umschreibung des finalen Selbstmordes. Nein, durch den, in seiner Kompaktheit äußerst dicht dargestellten Charakter von Marcel und seinen Sinneswandels zum Ende hin. Und durch die kritische Aussage, die du gegenüber den gaffenden Usern am Schluß triffst.
Dafür ein Kompliment von mir, mit einem großen ABER verbunden...
Zum anderen wegen der moralischen Frage, die sich einem dabei unwillkürlich stellt, ob man solcherlei Geschichten braucht. Ich stehe dem, trotzdem ich mich als toleranten Menschen bezeichnen würde, dennoch immer etwas skeptisch gegenüber. Sicherlich habe auch ich damals David Finchers "Sieben" gerne gesehen und möchte ihn als grandiosen Film bezeichnen. Dies hing mit der dramaturgischen Präzision Finchers als Regisseur zusammen und der Spannung, die er aufzubauen verstand, wodurch man den Film bis zum Ende hin äußerst gespannt verfolgen mußte. Außerdem seinem Gespür wegen, bei jeder der dargestellten Todsünden für die damalige Zeit genau soviel gezeigt zu haben, daß man immer wieder aufs Neue am Zweifeln war, ob dies nicht vielleicht doch ein bißchen zuviel gewesen sei oder auch nicht. Gerade dieses permanente an der Grenze entlanggehen machte natürlich auch den großen Reiz des Filmes aus. Nachdem ich ihn im Kino gesehen hatte, habe ich ihn mir danach bis heute nur noch ein zweites Mal gegeben. Denn die Handlung war mir noch derart gut im Gedächtnis und ich war mir sehr sicher, das sich dieser Spannungsaufbau bei einem weiteren Sehen nur noch bedingt bis gar nicht mehr einstellen würde. Und genau so war es...
Im Vergleich dazu waren mir bei "Saw" (und nur im ersten Teil) die Gewaltszenen von Anfang an zu viel des Guten, aber dieser Film konnte durch seine gut durchstrukturierte und zudem extrem spannende Story auch diesen Mißstand in soweit ausgleichen, das auch er mir schlußendlich sehr zusagte. Auf die weiteren Teile dieser Reihe möchte ich jetzt aber hier nicht auch noch eingehen, da ich damit zusehr vom Thema abweichen würde.
Und so verbleibe ich und sende dir...