Das Thema wurde und wird von einigen Kreisen in der sgn. politischen Elite dazu benutzt und lebt davon, den oder diejenigen Unbedarften und Internetunkundigen von den Kundigen mit Protestpotential zu trennen. Es läßt sich nach meiner Lesart ungefähr so interpretieren:
Stammwähler jenseits des Alters, in dem man normalerweise mit Computer und Internet interagiert, werden mit dem Argument der "ehrlichen" und "offenen" Meinungsäußerung konfrontiert, die so im Internet angeblich nicht stattfinden kann, solange sich dort Gruppen wie Anonymous oder die Piraten und ähnliches lichtscheues Gesocks tummeln dürfen, die Ihre wahren Idenditäten (ähnlich böser Terroristen) nicht preisgeben wollen. Damit werden schon mal die stigmatisiert, die nicht nur mehr über das Netz wissen, sondern vermutlich auch anders wählen (und auch anders aussehen, ewig studieren, alles umsonst wollen und im Internet klauen etc., etc.). Gemeint sind alle, die links oder rechts von der eigenen politischen Meinung stehen und zu jung sind, um noch "wahre Werte" zu verstehen oder zu vertreten. So weit, so schlecht.
Gleichzeitig aber wird absurderweise eines der politischen Kernthemen der Piraten "Mehr Transparenz in den politischen Entscheidungsprozessen und den Verwaltungsstrukturen" in's Gegenteil verkehrt. Denn jemand, der ein "Vermummungsverbot im Internet" allen ernstes öffentlich fordert oder zur Diskussion stellt, setzt sich nicht dem Gespött oder der Kritik aus, ohne sich vorher über die Wirkung seiner Worte im klaren zu sein. Diese Kreise wissen, daß von der Diskussion und Berichterstattung der Medien über die Piraten in der breiten Masse der Bevölkerung nur sehr wenig an echter Information hängen bleibt. Mitunter ist es nach Wochen der Funkstille zu der neuen Partei in den Zeitungsüberschriften oder den Nachrichtenheadlines nur noch das Wörtchen "Transparenz", das mit den Piraten und deren Forderungen gleichgesetzt wird und in den Köpfen präsent bleibt. Und damit schließt sich dann der Kreis: "Hat das nicht gerade auch unser herzallerliebster (und Schwiegersohnaspirant) CDU-Bundestagsabgeordneter Axel E. Fischer neulich ganz recht gefordert? Ei gucke!" werden da die Stammwähler just noch mal zwischen Kaffee und Kuchen oder am Stammtisch rekapitulieren (wenn sie denn einer solchen Tat noch fähig sein sollten) und sich alsdann fragen und sich selbst antworten: "Aber haben nicht auch die Piraten erst kürzlich mehr Transparenz gefordert? Siehste, das tut die CDU jetzt auch. Die ist ja sooooo modern die CDU, die braucht sich in den modernen Fragen zum Internet hinter den Piraten ja nun wirklich nicht zu verstecken".
Politiker, die eine solche Forderung stellen und dann auch noch per Facebook (
http://www.facebook.com/pages/Axel-Fischer/55574168445) bekräftigen und begründen, kalkulieren haarscharf und sollten meiner Meinung nach nicht unterschätzt werden. Denn im Kern fordern sie: "Totale Transparenz" (der Bürger!), Kampf gegen anonyme Veröffentlichungen und Meinungsäußerung (also auch gegen Organisationen oder lose Gruppierungen wie Anonymous), Die Verantwortlichmachung in strafrechtlichem Sinne und mit Hilfe der Behörden von "Übeltätern", die das Recht auf freie Meinung "missbrauchen". Dies ist wesentlich mehr als z.B. das ACTA-Abkommen je gefordert hat und ist ganz klar die Forderung, das Internet zu einem Instrument der Überwachung und Gesinnungsschnüffelei auszubauen. Angesichts der Tatsache, daß der Mauerfall zwischen unserer angeblichen Demokratie BRD und dem angeblichen Stasistaat DDR so lange noch nicht zurückliegt, ist diese Forderung nicht nur dreist und in der Konsequenz klar gegen unser Grundgesetz, sondern eine Provokation, sollte sie in der öffentlichen Diskussion mediengeile Nachahmer des gleichen Tenors finden, die genügend Spaltungs-Potential hätte, um von der wirklichen pölitischen Agenda, - Aufgabe der demokratisch legitimierten Souveränität Deutschlands zugunsten eines Fiskal-Europas der Kommissare (hatte ein Teil Deutschlands zuletzt in Form des großen Bruders Sovietunion) -, abzulenken.
Aber Ihr könnt ja ruhig weiter verharmlosen oder lachen. Bis es Euch dann in absehbarer Zeit im Halse stecken bleibt!?
Edit und Addendum:
Wer glaubt, daß ich in meinem obigen Kommentar soeben übertrieben habe? Mal ehrlich?
Vermummungsverbot
In Deutschland ist es im § 17a Abs. 2 Versammlungsgesetz geregelt und die Zuwiderhandlung wird gemäß § 27 Abs. 2 bzw. § 29 Abs. 2 mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe unter Strafe gestellt. Das Vermummungsverbot wurde in Deutschland am 28. Juni 1985 mit den Stimmen der konservativ-liberalen Koalition unter Helmut Kohl im Bundestag beschlossen. (Quelle: Wikipedia | Quelle: Gesetz über Versammlungen und Aufzüge
http://www.gesetze-im-internet.de/versammlg/index.html)
Das Vermummungsverbot untersagt Demonstranten ihr Gesicht zu verdecken oder Gegenstände mit sich zu führen, die der Vermummung dienen können (der vielbenutzte Schal im Winter, die Burka - Vollverschleierung bei ultra-/orthodoxen strengläubigen Musliminnen [siehe auch Burka Vollverschleierungsverbot in Frankreich]) -, nebst dem Miführen sgn. "Schutzwaffen" (Schutzheme, Baseballschläger, Regenschirme) oder das Tragen von Uniformen. Solche Gesetzte gibt es auch in Österreich, der Schweiz (einigen Kantonen), Italien und Frankreich.
Das Für oder Wider in der Diskussion um diesen Paragraphen erstreckt sich über den Schutz der Privatsphäre (muß zum Zwecke der Strafverfolgung einiger Chaoten unter den Demontranten hinten anstehen), Schutz vor Übergriffen durch oppositionelle Demonstranten (die einzige vom Bundesgerichtshof anerkannte legitime Begründung für eine Vermummung), oder Repressalien von Seiten des Arbeitgebers (ist nicht erlaubt. Basta!) bis zu Präventiver Strafverfolgung seitens der Behörden (Staatsschutz).
Das Vermummungsverbot wurde in Deutschland am 28. Juni 1985 mit den Stimmen der konservativ-liberalen Koalition unter Helmut Kohl im Bundestag beschlossen.
Eine konservativ-liberale Koalition haben wir zur Zeit auch. Hinzu kommt, daß wir eine schwache Opposition haben (imho), seit 1985 die Bedrohung durch den rechten, linken und internationalen Terrorismus (laut offiziellen Verlautbarungen des Sicherheitsbehörden und ihnen zustimmenden Massenmedien) stetig zugenommen hat und die öffentliche Diskussion zum Thema "Freiheit im Internet" durch die Diskussionen zu Themen wie "Finanzkrise" und "Fiskalpakt" versus "Occupy" oder "ACTA" und "Copyright" versus "Recht auf Privatspäre" kontrakarikiert werden. Diese Diskussionen haben gerade erst angefangen und drohen bereits, angesicht der Tragweite internationaler Themen, im allgemeinen Tohubawohu der medialen Berieselung unterzugehen. Die Situation ist also nicht ganz unähnlich der Diskussion zum Vermummungsverbot und Demonstrationsrecht im den 80ern, die Begründungen für das Für und Wider sind es ebenfalls nicht - nur daß sich diesmal noch ein europäischer Mitspieler auf dem Gesetzesparkett in Form von Brüssels Kommissaren und deren oberster Handhabe mitbewegt und mitmischt.
Da ist es doch aus Sicht konservativer Kreise und Politiker der CDU/CSU und ihres Miläufer/Koalitionärs FDP folgerichtig und ein Leichtes, knapp 25 Jahre später angesichts neuer, die Herrschaftsstruktur bedrohender Entwicklungen im Internet (ein Medium, das nicht vergißt!), nochmals das Gleiche zu fordern und dabei vermutlich, der Wind steht günstig, erfolgreich durchzusetzen. Ein mitleidiges Lächeln der ach so wissenden Netzgemeinde kann dem nichts entgegensetzen. Online-Petitionen sind nur ein müdes Arschrunzeln im Vergleich der Bürgerproteste, die gegen das Vermummunggesetz in den Achzigern auf die Straße getragen wurde.
Und dies ist die Gefahr!: wer das Netz als letzte Bastion der Freiheit stilisiert, hat bereits schon aufgegeben. Für ihn oder sie scheint die Straße wohl kein ernstzunehmenden Pendant mehr zu sein. Vielleicht ist es der Frust angesichts so vergeblicher Versuche wie z.B. die gegen "Stuttgart 21" (bei deren Gegendemonstrationen es zwar teilweise hoch her ging, aber im Vergleich zu den hier anstehenden Fragen europäischen Ausmaßes zum Fortbestehen der Grunrechte es wohl eher um regionale Interessen als um grundsätzliche und freiheitsbedrohende Fragen ging bzw. geht).
Kann mir mal jemand verraten, wie sich die Netzgemeinde ohne den Gang auf die Straße gegen das "Vermummungsgebot im Internet" stemmen will, wenn sich sowohl Koalitionspartner als auch Postelhuber und Vorteilsnehmer der Opposition im Grunde einig wären um sich selbst zu dienen? Ich sehe da vermutlich schon wieder das Verfassungsgericht in Karlsruhe in der Pflicht. Und stellvertretend für die schweigende (und gespaltene) Mehrheit der politik- und protestverdrossenen Bürger werden die dann ein Urteil kassieren, daß sowol deutsch-souverän als auch europäisch-liberal und vermutlich dem Tenor gemäß als Erweiterung des bereits bestehenden Paragraphen zum Demonstrationsrecht gesehen werden soll. "Zur Sicherrung der Demokratie und der freiheitsliebenden Bürger der Bundesrepublik und Europas." oder so...
Dabei vergißt man schnell das geschriebene Wort. Es kann tausendmal stärker sein als jeder Chaotenknüppel oder jedes Gesichtstuch. Das Wort aber soll zensiert werden, der Schreiber haftbar gemacht und ausgeschnüffelt werden. Und all das, weil sich der Mensch nun mal unflätig in in den Augen von politischen Kreuzrittern und/oder unfreiheitlich aszudrücken beliebt? Wohl kaum. Und wer, letzendlich, soll das beurteilen? Etwa der CDU-Bundestagsabgeordnete Herr Axel E. Fischer? Das Bundesverfassungsgericht? Ein europäischer Kommissar?
Wir werden es erleben.