Gestern noch:
El Topo:
El Topo, oder der Maulwurf, gräbt sich durch die Erde, auf der Suche nach Sonnenlicht. Sollte er aber die Oberfläche erreichen, erblindet er. Mit diesem Kommentar beginnt Jodorowsky's Bibel-Interpretation mit dem Jesus-ähnlichen Hauptdarsteller, El Topo. Ich glaube, man kann eine ganze Doktorarbeit über die vielen Metaphern schreiben, die Alejandro Jodorowsky hier verwendet. Trotz einiger theologischer und philosophischer Ansätze, verstand ich nur wenig von der außerordentlichen Bildsprache, die Jodorowsky spricht. Aber etwas habe ich verstanden.
Der Film teilt sich in zwei Teile. Zuerst der Teil, indem er einer Frau verfällt (vielleicht der Teufel?), die ihn dazu bringt zu töten und die Meister, die über das kämpfen schon hinaus sind, ebenfalls abzuschlachten. Auf der Suche nach der Wahrheit, nach seinem Lebensziel und seinem Ich, macht er vor nichts Halt und merkt nicht, wie sehr er sich verirrt. Auf seinem letzten Gang, auf dem er an Händen und Füßen, wie Jesus, blutende Wunden trägt und beide Arme zur Seite streckt, wird er vom Teufel verraten und stirbt.
Und dann beginnt der zweite Teil. Er wacht nämlich in einer Höhle auf, in der Inzest-Opfer als Ausgestoßene leben, die nicht mehr an die Oberfläche können, weil der Weg versperrt ist (irgendwie so...). El Topo verspricht den Menschen, die ihn jahrzehntelang pflegten, einen Tunnel zu graben, durch den sie an die Oberfläche können. Wobei wir wieder bei unserer Maulwurf-Metapher wären. Er gelangt nach oben und versucht von nun an, zusammen mit seiner kleinwüchsigen Frau, den Tunnel fertig zu graben, damit die anderen auch nach oben können. Dabei zeichnet Jodorowsky ein satirisches Bild von der Gesellschaft, wie sie verdorbener nicht sein könnte. Die Oberwelt ist eine oberflächliche, rassistische, perverse Welt, in der die Menschen ihre Gelüste ungehemmt ausleben, es aber unter dem Deckmantel der Rechtschaffenheit verstecken. Religion ist ein Hetzkult, in dem es nur darum geht, die Massen aufzuwiegeln. Trotzdem vollendet El Topo seine Arbeit an dem Tunnel, bis die Verstoßenen an die Oberfläche dringen. Diese Welt aber, wehrt sich mit ihrer ganzen Kraft und erschießt alle Verstellten der Unterwelt. El Topo sieht es und erkennt, dass er wieder daran Schuld ist, am Tod anderer. Er beschließt, sein Leben zu beenden, genauso, wie es einer der getöteten Meister tat und verbrennt sich selbst. Wie der Mualwurfgrub er nach dem Sonnenlicht und erkannte, als er es erreichte, dass sie ihn zerstört und ihm die Orientierung, den Sinn des Lebens raubt.
Es sind unheimlich viele Botschaften im Film versteckt und ich kann und möchte auch gar nicht alle aufzählen, da der Film einer sehr persönliche Erfahrung gleichkommt, die jeder für sich selbst machen muss.
Jodorowsky hat ein unglaubliches Gefühl für starke Bilder und Menschen. Sie wirken wie Karikaturen, aber sind doch, so wie es Karikaturen an sich haben, real, da sie auf realen Eigenschaften beruhen.
Fazit: Seltsam, aber genial... Entzieht sich eigentlich jeglicher Bewertung, aber ich wage es mal...
9/10
Gerade eben "Das Fest" von Thomas Vinterberg gesehen.
Das Fest:
Dogma 95 ist so eine Sache... Es gibt Filme, die können nur im Dogma-Stil gehalten werden ("Idioten" zum Beispiel), aber es gibt auch Filme, die hätte man wohl lieber 'normal' inszenieren sollen. Auch Das Fest ist so ein Film. Die Handkamera und die teils wirren Perspektiven und Bewegungen zerstören die Atmosphäre des Films. Besser wäre eine Inszenierung wie im Theater gewesen, dass hätte Darsteller, Story und die Situation in ein besseres, intensiveres Licht gerückt. Als Fan von Theaterverfilmungen muss ich das ja sagen, aber das Landhaus wäre die perfekte Kulisse für eine kammerspielartige Intrige gewesen, was der Film ja zweifelsohne teilweise ist.
Zur Story: Helge, reicher Vater von vier Kindern, von denen sich eines vor nicht allzu langer Zeit umgebracht hat, feiert seinen 60. Geburtstag. Es kommen viele Gäste, die Stimmung ist gut, alles ist in Ordnung. Bis der Älteste Sohn dem Vater die Wahl lässt, welche Rede er beim Tost halten soll. Und endlich kommt die grausame Wahrheit ans Licht, was sich in dieser Familie zugetragen hat.
Ich selbst habe mich vor allem so sehr auf den Film gefreut, weil ich schon wusste was passierte... Beim nächsten mal werde ich mich nicht mehr so leicht spoilern lassen, obwohl das Wissen der Spannung und der Intensität keinen Abbruch tat. Aber Vinterberg schiebt nicht nur dem Vater alleine die Schuld zu. Ich meine zu erkennen, dass eine leichte Ironie in dem Ende steckt. Denn obwohl genug Leute wussten, was damals passierte, hat nie jemand was gesagt und alles wurde unter den Teppich gekehrt. Aber als alles aufflog und jeder mit den Tatsachen konfrontiert wurde, dass man nichts mehr verheimlichen konnte, wenden sich alle ab. Ausnahmslos alle spielen plötzlich die Moralapostel und schockierten, wo doch vorher noch darüber gelacht und es als Scherz abgetan wurde. Der Regisseur gibt natürlich hauptsächlich dem Vater die Schuld, was er natürlich auch ist, aber gleichzeitig entlarvt er die dort anwesende Geburtstagsgesellschaft als heuchlerische Meute, die sich um keinen Preis um den Dreck anderer schert und nur an sich selber denkt.
Die visuelle Form empfinde ich, wie schon gesagt als unpassend, aber ansonsten ist der Film ein intensives, verstörendes Meisterwerk und einer der besten Filme, die ich in letzter Zeit gesehen habe.
10/10
Im Glaskäfig:
Ist einer der Filme, die nach zig Jahren endlich wieder eine würdige DVD-Veröffentlichung vom Label "Bildstoerung" bekommen haben. Zu Recht, denn der Film, der auch auf der Disturbo 13 steht, ist wohl einer der verstörendsten, die auch ich gesehen habe. Die Schauspieler sind großartig, das Setting genial und gruselig, die Atmosphäre schrecklich. Es geht um einen Nazi-Arzt, der im Krieg an Kindern rumexperimentiert und sie vergewaltigt hat. Nach dem Krieg lebt er mit seiner Frau und seinem Kind im spanischen Exil, um dort seine verbleibenden Jahre zu verbbringen, die recht trostlos sein dürften, da er sich nach einem Sturz von einer lebenserhaltenden Maschine abhängig gemacht hat. Eines Tages kommt ein junger Mann, der ihn pflegen will. Aber sehr schnell wird klar, dass der junge Mann mehr will, als den ehemals grausamen Peiniger nur zu pflegen.
Schon der Titel spielt darauf an, was passiert. Der ehemalige Nazi sitzt in einem Glaskäfig, er muss mit ansehen, wie seine Familie zerstört und sein Heim in ein KZ-ähnliches Gebäude umfunktioniert wird. Der junge Mann lässt den alten Nazi mitansehen, wie er Kinder umbringt, auf diesselber Weise, wie er schon Kinder umbrachte. Aber die verstörende Geschichte hat den großen Nachteil, dass ausgerechnet die Hauptperson, der junge Pfleger so gut wie gar nicht nachvollzogen werden kann. Schon am Anfang gewinnt man nicht den Eindruck, dass es dem Jungen nur um Rache geht. Er führt seinem Opfer nicht nur seine eigenen Missetaten vor Augen, sondern genießt sie selber. Er erliegt der süßen Macht des Todes. Und da habe ich mich gefragt, ob es soetwas gibt? Ich kann mir vorstellen, dass man machtbesessen ist und seine Macht vollkommen auslebt, aber dass man am Leid anderer sexuell erregt wird? Das hebt den Film zwar auf ein ganz anderes Niveau, da aus dem ehemaligen Opfer ein waschechter Killer wird, der nichts mehr mit einer Identifikationsfigur, die Mitleid verdient, gemein hat, aber war für mich kaum nachvollziehbar. Es geht also nicht nur um Rache, sondern auch um eine Paraphilie, die die beiden auf unheimliche Art und Weise miteinander verbindet, obwohl sie sich gegenseitig viel Leid zufügten.
Im Glaskäfig ist also eine Geschichte über einen jungen Mann, dem es vorerst nur um Rache gegangen sein mag, der aber ziemlich schnell dem Sog des Todes erliegt und nicht mehr aufhören kann zu morden.
Fazit: Ein verstörendes Meisterwerk, dass vorraussetzt, dass man akzeptiert, dass manche Menschen einfach das quälen von Menschen lieben.
8/10