Das Dorf war eine rauchende Ruine. Der Geruch von verbranntem Fleisch war regelrecht erdrückend, da er sich vor die Nase legte und alles andere übertünchte. Verstümmelte und verbrannte Leichen lagen überall verstreut. Männer, Frauen, Kinder. Ein Anblick, der sich in Ulriks Gedächtnis einbrennen würde, auch wenn es nicht das erste Massaker war, welches er zu Gesicht bekam.
Ihm entgingen ebenfalls nicht die beeindruckenden Abdrücke im Boden, die von einem gewaltigen Tier zeugten, welches durch das Dorf getrampelt war. Ulrik fragte sich, was das Monster dazu verleitet hatte. Hatten die Dörfler das Monster ausversehen verärgert? Vielleicht, indem sie ihm keinen Tribut gezahlt haben, wie es in den alten Geschichten üblich war?
"Das war kein Drachenfeuer"
Ulrik zuckte zu Angramar herum, der diese Worte gesprochen hatte. Das ermunterte den Zwergenkrieger dazu sich zu erklären.
"Hätte noch nie von einem Geschuppten gehört, dessen Feuer mehr als geschwärzte Knochen zurücklässt. Die Toten hier sind dahingegen noch regelrecht roh."
Das ganze ließ Ulrik stutzen. Wenn das kein Drache angerichtet hatte, wer war es dann? Und woher stammten die Abdrücke?!
Er konnte nicht weiter darüber nachdenken, da die Dinge danach verlangten, dass er seine Aufmerksamkeit auf seine Gefährten und die Gestalten lenkte, welche vor ihnen die Trümmer durchsuchten.
Plünderer. Ulrik durchlief eine Welle der Abscheu. Wie konnte man bloß so tief sinken, die Toten zu bestehlen? Abartig.
Die drei hatten Ryia entdeckt, welche sich ihnen weiter genähert hatte, als die anderen aus Ulriks Gemeinschaft. Sie sprach die Plünderer geradeheraus an, forderte sie auf, ihre Beute zurück zu legen, da sie ihnen nicht gehöre.
Seltsam. Was kümmerte sich diese Elfe um den Besitz einiger fremder - und toter - Menschen? Man mochte über sie sagen, was man wollte: Courage hatte sie offenbar. Oder hatte sie bei ihrem offenen Vorgehen gar etwas völlig anderes im Sinn?
Unabhängig, was die Elfen Magierin nun dazu verleitet hatte, hervorzutreten, schienen die Plünderer davon nicht sonderlich beeindruckt zu sein. Viel eher interessierten diese sich für die Schönheit der Elfe, welche sie auch direkt kommentierten.
Dabei entging ihnen jedoch auch für einen Moment, wie Valen, Ulrik, Angramar und Arri auftauchten. Diese hatten sich mittlerweile den drei Plünderern auf wenige Meter genähert.
"Seit gegrüßt", eröffnete Ulrik, da er das Gefühl hatte, das Reden wären seine Aufgabe, wenn er schon sonst nicht viel beizutragen vermochte.
Der Kerl, welcher zuvor Dalor genannt worden war, hatte sich aufgerichtet und seinen Lederwams gestrafft, bevor er zu einer Erwiderung ansetzte.
"Ebenfalls. Wohin führt es euch?"
Seinen Augen und denen seiner Kumpanen war anzusehen, dass sie abschätzten, wie ihre Chancen in einem Kampf gegen die Neuankömmlinge standen. An sich nichts verwerfliches, gedachte man der Gegend, in welcher sie sich alle befanden. Hier war es besser, den Verlauf eines Kampfes vorbeugend zu kalkulieren, wenn man auf Fremde traf.
Soweit es Ulrik betraf, zweifelte er nicht daran, dass Valen und Angramar die drei Plünderer im Alleingang niedermachen könnten. Dann ging ihm jedoch auf, dass sich zwischen den Trümmern der Gebäude weitere Männer befanden, die nach Wertsachen suchten. Auf die schnelle zählte Ulrik insgesamt sieben Männer.
"Wir befinden uns auf der Durchreise", gab Ulrik als Antwort. Er legte keinen gesteigerten Wert darauf, heraus zu posaunen, was sie wirklich hierher führte, "Darf man fragen, was ihr und eure Mannen hier treibt?"
Dalor leckte sich bei dieser Frage mit einer Zunge über die Lippen, von der ein sichtliches Stück fehlte. Er sann eindeutig über eine Antwort nach, die nicht offenlegen würde, welch verbotenen Handlungen seine Bande hier nachging. Anscheinend fiel ihm etwas ein, denn er setzte bei seiner Antwort ein Lächeln auf.
"Wir - das heißt ich und meine freundlichen Männer hier - sind auf diese Tragödie gestoßen. Wir wollen dieses Chaos aufräumen und die Toten bestatten, um ihnen die letzte Ruhe zu geben."
Er grinste und fügte dann noch hinzu, "Ganz so, wie es sich für rechtschaffene Bürger gehört."