Riya schüttelte leicht den Kopf. Akeela sollte sich ihrer Meinung nach lieber auf den Rücken des Pferdes hinlegen, aber sie konnte nichts gegen den Stolz des Mädchens machen und hielt es für taktvoller, nicht auf ihrer Meinung zu bestehen. Sie packte zusammen, was sie noch zusammen packen konnte und schulterte ihren Rucksack. „Nun denn“, meinte sie und schüttelte sich. „Wir haben nicht so viel Zeit, wie man glauben mag. Das waren Vier, Arri hat von Sieben gesprochen.“, Riya erinnerte sie alle daran, dass sie grade einmal die Hälfte des Verfolgertrupps Tod vorgefunden hatten, oder dazu beigetragen. „Wenn wir also keine Überraschungen erleben wollen, wäre ich dafür, das wir aufbrechen. Und ihn mitnehmen.“, dabei deutete sie auf die Leiche des Mannes, der einmal der Vater gewesen war. Es war offensichtlich, dass sie nicht daran dachte eine weitere Seele einfach verrottend zurück zu lassen.
Auch wenn es Valen nicht sonderlich gefiel, verstanden alle in der Gruppe, worauf Riya hinaus wollte. Und niemand schien sich noch einmal mit einer Moralpredigt und etwaigen Ohrfeigen herumschlagen zu wollen, wie ihr Ulriks kurze Bewegung zu seiner Backe zeigte. Es war nicht so, dass sie Tote nicht Tote sein lassen konnte, aber hier war mehr als nur ein Toter. Es war der Vater der Kinder und der Mann der Frau, deren Name sie immer noch nicht wussten. Aber Riya machte sich nichts darauß, sie nicht Namentlich zu kennen.
Die Frau führte sie schließlich einen Gewundenen Pfad hinauf, den selbst Arri so nicht gefunden hätte. Er war zwar da, aber er schien nicht von Menschen, sondern von Wild und war daher nicht in ihre Aufmerksamkeit gekommen. Doch natürlich ließ sich die Kagonesti das nicht anmerken, irgendwo hatte sie auch noch ihren Stolz. Riya verurteilte sie deswegen nicht, immerhin hatte sie selber nicht grade weniger Stolz. Aber die beiden Elfenstämmigen waren nicht die Einzigen mit Stolz, den die Frau, die sie führte, hatte etwas in ihrer Körperhaltung, die von einem ungebrochenen Stolz sprach. Etwas das die Tochter auf dem Pferd genauso ausstrahlte. Obwohl verletzt und eigentlich schon halb in Crynils Reich saß sie fast Aufrecht im Sattel.
Menschen waren schon etwas. Aber genau dieser Stolz hatte Riya auch zu ihrer Aussage treiben lassen, mit der sie Ulrik eine gescheuert hatte. Stolz, Ehre und Eitelkeit war etwas, was alle Völker sehr gut beherrschten. Und es war ein mensch gewesen, der die junge Vyalbe dermaßen in ihren eigenem Stolz verletzt hatte. Dennoch trieb sie sich jetzt mit einer Gruppe von menschen herum, gefolgt von einem Zwerg und einer Kagonesti. Allem in allem war die Gruppe nicht das, was man als Ideal ansehen konnte. Aber Riya hatte sich geschworen, sie würde ihren eigenen Stolz nicht in den Weg kommen lassen, nicht ihr Ehrgefühl und nicht ihre eigene Eitelkeit, doch, wie man gesehen hatte, hatte etwas in dem Dorf diesen Vorsatz, den sie gute 30 Jahre gehalten hatte, übersprungen und sie war in etwas zurück gefallen, was sie nicht wollte.
Ihren Gedanken nachhängend merkte sie nicht, das sie inzwischen so tief auf dem gewundenen Pfad waren, dass das Licht der Sonne nur spärlich den Boden berührte. „Nun, wir sind fast da.“, ertönte die Stimme der Mutter und sie verschwand in einer dunklen, gähnenden Öffnung, die direkt vor ihnen lag. ANgramar spazierte fröhlich hinten drein, immerhin ging es unter die Erde. Valen und sein Ross zeigten keiner lei Emotion, Arri hatte die übliche Maske aufgesetzt und Ulrik suchte nach etwas, mit dem er licht machen konnte.
Riya seufzte und trat auch ins Dunkle. Man konnte einen kleinen Bach hören, der neben ihnen herfloss und vermutlich der Grund für diesen Stollen war. Es roch merkwürdig nach Schwefel, wenn auch nur ganz leicht. Etliche andere Gerüche gesellten sich hinzu.
Wer behauptet hätte, man könnte Elfen nicht überraschen oder ihnen gar einen Erstaunenslaut entlocken, der lag ziemlich falsch. Riya riss die Augen auf, als der Ganz sich zu einer Höhle weitete und vor ihnen sich der ‚Teich‘ erstreckte.
Es war kein Teich, es war eine lagune. Noch dazu eine die dampfte und etliche Ellen weit reichte, bis schließlich ein Wasserfall in sie hinein kassierte. Es war kein Donnern sondern ein melodiöses Fallen des Wassers, das er verursachte. Dennoch war es genug Wasser um eine kleine Gischt auf zu wühlen und den See mit leichten Wellen zu bedecken, in denen sich das Licht brach und dutzende, wenn nicht hunderte Reflexionen hervorriefen. Es war ein Platz, eine Idylle, die irgendwie nicht zu dem Bild passte, das man sich immer vom Düstergebirge machte, und dennoch war das hier real. Riya strich kurz über das Gestein, das leicht glitschig war von dem wabernden Dampf, der aus dem See stieg.
Der kleine Bach, den Riya vorher bemerkt hatte, war der ‚Abfluss‘, den das Wasser floss nicht in den See hinein, sondern hinaus. Was hieß, das die Quelle, die diesen speiste oberhalb des Wasserfalls liegen musste.
Die Höhle ging in eine Lichtung über und man konnte sehen, dass der See nur von der Höhle aus betretbar war, alle anderen Seiten waren steil genug um einem Bergsteiger Kopfzerbrechen zu bereiten. „Die Orks kennen diesen Ort nicht?“, fragte sie nun verwundert und hielt sich den Mund ob dieser abstrusen Frage. Natürlich mussten die Grünhäute diesen Ort kennen, nur für die simple Schönheit die er ausstrahlte hatten sie nichts übrig. „Nein, sie kennen ihn nicht“, antwortete nun Akeela, die selbstständig von dem Pferd gestiegen war und nach Luft schnappend sich neben Riya nieder ließ.
„Mädchen!“, Riya fuhr herum und hatte sich zu Akeela niedergehockt, die sie mit einer Art Faszination in den Augen ansah, die die Vyalbe nicht einordnen konnte. Sie folgte den Blicken des Menschenkindes und wurde schlagartig rot. Auch wenn sie es gewöhnt war, das man sie wegen ihrer Ohren und wegen ihres restlichen Körperbaus ziemlich eindringlich studierte war dieser forschende und Kindliche Blick des Mädchens fast zu viel des guten. Die Vyalbe liegte ihren Rücksack vorsichtig nieder und blickte Akeela erst danach wieder vorsichtig an. Sie wusste nicht, ob das Kind reißaus nehmen würde, immerhin schien es eine Elfe zum ersten Mal in seinem Leben zu sehen.
„Ihr existiert also wirklich“, stellte Akeela simpel und ohne Umschweife fest. Riya nickte nur kurz. „Ihr seid nicht nur Stoff aus Legenden?“ Langsam kam ein glanz in die Augen des Menschenkindes, den Riya bemerkte aber immer noch nicht einordnen konnte.
„Ich habe eure Wunde versorgt, allerdings solltet ihr so schnell wie möglich in die Obhut eines
richtigen Wundheilers kommen.“, wechselte die Vyalbe schnell das Thema. Doch Akeela ließ sich nicht von ihren Thema abbringen. „Darf ich euch anfassen?“, fragte sie nun fast zaghaft.
„Wa… bitte?“
„Ob ich euch anfassen darf, nicht das ihr nur eine Illusion seid…“, Akeela wartete nicht auf die Antwort der Vyalbe, die etwas verdattert drein schaute. Die Hand Akeelas war zu der Schulter der Elfe gewundert und drückte sie, ehe sie ihren Hals nach oben wanderte, den Kiefer entlang und über Riyas Wange bis sie schließlich am Ansatz der Ohren angekommen war. Vorsichtig aber doch fest im Griff tastete Akeela die ganze Länge des Spitzohres ab. Erst als sie den Ausdruck auf Riyas Gesicht bemerkte zog sie hastig ihre Hand zurück. „E… entschuldigt, i.. ich“
Riya legte ihr einen Finger auf den Mund. „Auch wenn man sowas nicht macht, noch dazu bei einer Elfe, oder besser, einer Vyalbe, verzeihe ich dir das. Mein Name ist Riya, Akeela.“
„Woher wisst ihr meinen Namen?“
„Du hast ihn mir selber gesagt“
„Wa.. wann?“
„Kurz nachdem unser grobschlächtiger Mensch den Ork erledigt hat, dem du zugesetzt hast.“, erwiderte Riya und deutete auf Valen, der den Toten grade Verhältnismäßig würdevoll ablegte.
„Aber wäre Arri nicht gewesen, hätten wir euch gar nicht erst gefunden. Und ohne Ulrik wären wir nicht zu eurer Hilfe geeilt. Und Angramar war mal wieder der Klotz am Bein, aber was erwartet man von einem Zwerg“, Riya merkte die die Hand die sich in ihre Schulter bohrte und gab dem grade angesprochenen Zwerg ein lächeln. Es negierte ihre Aussage das er nutzlos gewesen wäre.
„Aber Kind“, fing der Zwerg an und meinte damit sicherlich nicht Akeela „was würdet ihr bloß ohne mich tun“
„In einer Schenke sitzen und mir Geschichten von Tagelöhnern anhören“, konterte Riya und schubste den Gepanzerten von sich. Akeela stand die Verwirrung ins Gesicht geschrieben.
„Kebeleien zwischen Elfen und zwergen, wir sind nicht die besten Freunde, sollten die Legenden doch ausführlich beschreiben“, kicherte Riya und strich Akeela kurz durchs Haar. „Wir werden hier rasten und dann sehen wir, wie wir nach Steinwacht kommen“