Cass nahm nur eine kurze Bewegung am Rande ihrer Aufmerksamkeit wahr, doch das genügte ihr vollkommen. Von einem auf den anderen Augenblick war sie vor dem dämonischen Tiger zurückgewichen und wehrte die herannahenden Kugeln mit einer beiläufigen Bewegung ab. Licht blitzte auf, als die Kugeln schlichtweg einige Meter hinter ihr weiterschossen - nur ihre Position schienen sie schlicht gemieden zu haben. Sie wandte sich zu den Angreifern um, doch diese waren bereits dabei, Fersengeld zu geben. Das machte nichts - sie würde sie später einholen. Ihr kam auch schon gleich eine Idee, wie mit ihnen zu verfahren war. Doch zuerst...
Erneut verschwand sie, als sie sich mit ungeahnter Schnelligkeit zu Lilith begab. Etwas verwundert stellte sie fest, dass diese immer noch am Boden lag, beide Hände fest in den Untergrund gekrallt. Sie öffnete den Mund, wie um zu schreien, doch kein Laut drang heraus. Spätestens da war ihr klar, dass etwas mit ihr nicht stimmte. Sie wollte sich gerade herabbeugen, als sich vor ihren Augen ein schauriges Schauspiel zu entfalten begann. Aus dem Rücken Liliths begann sich eine andere Gestalt hinauszuschälen, während sie sie unter Aufbietung sämtlicher Kräfte versuchte, den "Ausdringling" in sich zu halten. Es war ein grauenvoller Anblick, der jedoch mit einem Aufbäumen Liliths zu Ende ging, als jemand sich mit einem widerwärtigen Schmatzen aus ihrem Körper löste. Keuchend fiel er auf die Knie, während Lilith ebenfalls äusserst erschöpft zu ihm hinüber sah. 'Wie zum Teufel...' stand in ihren Gesichtszügen zu lesen, aber scheinbar verweigerte ihre Zunge ihr den Dienst - wozu wohl auch Chris seinen Teil beigetragen hatte. Der Neuankömmling jedoch war im Vergleich dazu noch eher ausgeruht.
Cassandra unterdessen hatte all das mit ausdruckslosem Gesicht verfolgt. Als sich jetzt jedoch der Mann aufrichtete und sich pechschwarze Schwingen entfalteten, verengten sich Cass' Augen. "Asazel." sprach sie. "Wie es scheint, haben deine Ketten dich nicht halten können." Als Antwort darauf grinste der Gefallene nur bösartig und wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als sich Lilith mit dazu mischte. "Wie kannst du es wagen!" keifte sie, während sie drohend auf ihn zuschritt. "Wie kannst du es wagen, IHM erneut unter die Augen zu treten?? Wie kannst du es wagen, erneut mit deinem Auftauchen seinen Unmut zu provozieren??" Ohne ihm Zeit für eine Antwort zu lassen, schoss blitzschnell ihr Arm nach vorne, als sie versuchte ihn mit ihren Krallen zu durchbohren. Doch der Gefallene hatte den Angriff vorausgesehen und den Arm einfach gepackt, bevor die Krallen ihn erreichen konnten. "Das Einzige, was hier falsch läuft, ist das du noch atmest!" zischte er, als er sich anspannte und ihr den Arm mit einem grässlichen Schmatzen einfach ausriss. Ungläubig starrte sie auf den Stumpf, als sie ein schrilles Kreischen ausstiess.
Cass wollte gerade die Hand erheben, um einzuschreiten, als lodernde Pein sie durchzuckte. Von Aussen sah man lediglich, wie sie inne hielt - und die beiden Anderen bemerkten es in ihrem Hass nicht - aber innerlich kämpfte sie darum, nicht auf die Knie zu sinken. Sie hatte viel zu viel Macht in viel zu kurzer Zeit in diesem Körper benutzt. So war es ihr nicht vergönnt, irgend etwas zu tun, während Asazel weiter auf Lilith zuschritt. Deren Kreischen hatte sich mittlerweile in ein hysterisches Lachen verwandelt. "Oh, es wird mir eine FREUDE sein, dich ebenfalls auseinander zu nehmen!" brüllte sie ihn mit vor Wahn funkelnden Augen an, als sie auf ihn zustürmte, nur um von ihm die rechte Kniescheibe eingetreten zu bekommen. Noch während sie ihr Gleichgewicht verlor und sich nach vorne neigte, packte er sie am Hals, hob sie über sich und schmetterte sie in den felsigen Untergrund. Mit einem lauten Bersten zerbrachen etliche ihrer Knochen, während er mit einem schnellen kraftvollen Schlag ihren anderen Arm ausser Gefecht setzte. Jedes andere Wesen hätte wohl aufgehört zu kämpfen - doch Lilith war in keinster Weise normal. Das unverletzte Bein hochreissend schmetterte sie Asazel von sich, während sie sich langsam erhob, den Schmerz und die gebrochene Kniescheibe einfach ignorierend. Es war ein offenkundig widernatürlicher Anblick, denn kein Wesen hätte in der Lage sein sollen, in dieser Verfassung wieder zu stehen. Die vor Hass lodernden Augen unverwandt auf Asazel gerichtet, sprach sie: "Ihr braucht Euch nicht dazu herablassen, Euch mit Diesem Einen zu befassen. Eure treueste Dienerin wird das mit Vergnügen für Euch erledigen!"
Mit diesen Worten (und ohnehin auf keine Reaktion reagierend) schoss sie auf Asazel zu, rammte ihn und schoss mit ihm hinauf in den Sturmverhangenen Himmel, während das Unwetter nur an Stärke zuzunehmen schien. Cass unterdessen sah sich immer noch ausserstande, viel zu unternehmen. All ihre Konzentration war darauf gerichtet, die pochenden Schmerzen nach und nach zurück zu drängen, um schliesslich wieder handlungsfähig zu sein. Als sie schliesslich den Blick von ihrem Arm hob und sich nach einer gefühlten Ewigkeit wieder in der Lage sah, etwas zu tun, sah sie sich zuerst nach den beiden Kämpfenden um. Sie erhob sich einige Meter vom Boden, als plötzlich ein Schemen in irrsinniger Geschwindigkeit vom Himmel geschossen kam. Mit einem weithin vernehmbaren Knall schlug er auf dem felsigen Untergrund auf, während Trümmer überall herab regneten. Als sich der Staub lichtete - Cass beschleunigte das ganze, indem sie ihre Flügel einmal ausschlagen liess - sah man Liliths zertrümmerten Körper im Krater liegen. Am ganzen Körper hatte sie schwere Wunden davongetragen, aus denen schwarzes Blut sickerte. Zitternd bemerkte sie Cassandra und streckte langsam eine Hand in ihre Richtung aus. "Herr..." flüsterte sie flehentlich. "Vergebt m..." Doch weiter kam sie nicht. Ihre Worte erstarben, als eine pechschwarze Sense ihren Kopf vom Körper trennte und Asazel nahezu lautlos neben ihr gelandet war. Den Kopf an den Haaren hochziehend, sah er ihn an, bevor Schatten aus seinen Händen zu spriessen schienen und den Kopf - und anschliessend auch den Körper - in Windeseile zu verzehren schienen. Ruhig sah er zu, bis der letzte Rest von Liliths Leib vom Antlitz der Welt getilgt worden war, bevor er sich Cass zuwandte, die währenddessen auf ihn zugeschritten kam.
"Erkläre dich." sagte sie, während ihre Stimme kalt genug klang, um selbst das Höllenfeuer gefrieren zu lassen. "Du tauchst vor mir auf, nachdem ich eigenhändig mit dafür gesorgt habe, dass du weggesperrt wurdest. Dann tötest du meine kostbare Dienerin vor meinen Augen. Ich denke, du bist dir bewusst, dass ich dies nicht tolerieren kann?" Am Ende dieser Worte breitete sich ein Druck von ihr aus, der alles in der Umgebung pulverisierte. Felsen und Steine wurden zu Staub zermahlen, während Asazel auf ein Knie sinken musste, um dem ganzen Stand zu halten - dass er es überhaupt konnte, war schon ein beeindruckendes Zeugnis seiner Macht, mehr noch, da er sich anschliessend wieder erhob. "Konsequenzen werden nicht notwendig sein - denn Ihr werdet feststellen, dass ich für Eure Zwecke weitaus dienlicher sein werde als Sie, die ihren Nutzen verspielt hatte." Cassandras Hand, die schon in Richtung von Asazels Hals gewandert war, hielt inne. Immer noch traute sie dem schwarzen Engel nicht über den Weg - doch konnte sie keine Lüge in seinen Worten entdecken. Einige Augenblicke vergingen, in denen sie immer noch in dieser Position verharrte, bevor sie immer noch mit eisiger Stimme sprach: "Dann sprich - und wehe, deine Sicht der Dinge stellt sich für mich nicht befriedigend dar."
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Unterdessen versickerte Chris' Leben im Sand. Alles hatte er in diesen einen letzten Angriff gesteckt, doch ob er ausgereicht hatte, das hatte er nicht mehr mitbekommen. Und während sich langsam Schwärze über seine Welt senkte und sein Herz immer langsamer und unregelmäßiger Schlug, ertönte auf einmal eine Stimme in seinem Kopf. "Du willst doch nicht, dass es hier schon endet, nicht wahr? Nein, bestimmt nicht. Mach dir also keine Sorgen - du wirst nicht sterben. Noch nicht. Nicht, solange du mir noch von Nutzen sein kannst." Mit diesen Worten spürte er einen brennenden Schmerz, als sich zwei Hände in seinen Leib gruben. Er wollte aufbrüllen, doch auf einmal durchfuhr ihn eine eisige Kälte, und der Schrei blieb ihm im Halse stecken. Es war, als Griffen die Hände direkt in seine Seele und griffen sich dort etwas heraus. Aller Schmerz, alle Verletzungen wurden aus ihm heraus gezogen, als die Hände seinen Körper wieder verliessen und er in ein glatzköpfiges Gesicht blickte, das ihn mit einem widerwärtigen Lächeln bedachte. "Mein Name ist Desmond, und ich habe ein Angebot für Dich, das Du nicht ablehnen kannst."