Das japanische Schulsystem
Für japanische Kinder besteht eine generelle Schulpflicht von 9 Jahren, dies gilt allerdings nicht für Kinder ohne die japanische Staatsbürgerschaft. Was viele deutsche Kinder freuen dürfte, man kann nicht sitzenbleiben und wird quasi automatisch in die nächste Klasse versetzt.
Das japanische Schuljahr beginnt am 1. April, dem Termin, zu dem auch z.B. das japanische Fiskaljahr oder Steuerjahr beginnt, dem Zeitpunkt, an dem oft Investitionen getätigt werden. Die Schulferien sind einheitlich, 2 Wochen zu Neujahr, 2 Wochen im März/April und 6 Wochen im Sommer, dazu kommen nur noch die gesetzlichen Feiertage. Öffentliche Schulen haben die 5-Tage Woche, private Schulen oft die 6-Tage Woche, beide stehen sich in vielen Bereichen als Konkurrenten gegenüber und kosten u.U. ein hohes finanzielles Engagement der Eltern, wer mehr Geld zur Verfügung hat, kann seinen Kindern eine weit bessere Bildung ermöglichen. Oft entscheidet sich bereits im jugendlichen Alter, was man im späteren Leben werden oder erreichen und wieviel man später im Beruf verdienen kann. Private Schulen haben keine Aufnahmepflicht und sieben gewaltig aus, sofern sie eine hohe Anmeldungszahl haben, andere Privatschulen nehmen fast jeden, um keine Gefahr zu laufen, schliessen zu müssen. Der Ruf der Privatschulen ist äußerst unterschiedlich, man wird immer versuchen, seine Kinder auf die Schule mit dem besten Ruf zu bringen, sofern man es sich finanziell leisten kann, hohe Verschuldung inklusive. Es sind Fälle bekannt, wo sich Mütter zusammen mit ihren Kindern das Leben genommen haben, weil eben die Kinder auf einer bestimmten Schule nicht aufgenommen wurden, eine Frage der Ehre und des persönlichen Rufs, auch der der Kinder. Kurz gesagt ist das japanische Schulsystem genauso grausam und rücksichtslos wie das spätere Berufsleben und oft beginnt das Mobbing bereits hier, teilweise nicht nur seitens der anderen Schüler, sondern auch seitens der Lehrer.
Die Shōgakkō (Grundschule / elementary school [小学校]) beginnt nach Vollendung des 6. Lebensjahres, wobei man in aller Regel die Schule in der näheren Umgebung / seinem Bezirk besucht. Die durchschnittliche Klassengröße beträgt 25 Schüler, schwankt aber regional von 18 bis zu 32 Schülern, wobei z.B. in der Präfektur Kagoshima (鹿児島県) auf Kyushu auch Schüler unterschiedlicher Klassen innerhalb eines Klassenraumes gleichzeitig unterrichtet werden, man nehme den Anime Non Non Biyori als Beispiel. Es gibt ca. 22.000 öffentliche Grundschulen in Japan, denen lediglich etwas über 200 Privatschulen gegenüberstehen. Nicht alle Grundschulen haben Uniformpflicht, an manchen gibt es gar keine Uniformen.
Auf 6 Jahre Grundschule folgen 3 Jahre Chūgakkō (Mittelschule / junior high school [中学校]), nach der die Schulpflicht endet. Auch hier besucht man in aller Regel die öffentliche Schule in seinem Bezirk, es gibt allerdings bereits hier eine Anzahl von Privatschulen, für die es eine Aufnahmeprüfung zu absolvieren gilt. 98% der Schüler besuchen nach dieser Stufe noch weiterführende Schulen, für deren Aufnahmeprüfungen man im letzten Schuljahr sehr fleissig lernen muss. Es gibt ca. 10.800 öffentliche Mittelschulen in Japan, die Anzahl der Privatschulen liegt bei ca. 750. Durchschnittliche Schülerzahl pro Klasse ist 29, kann aber z.B. im Bereich Tokyo bei bis zu 44 liegen. Auch hier besteht nicht überall Uniformpflicht.
Am Ende dieser Periode entscheidet sich dann beinahe schon das weitere Berufsleben, je besser man ist, desto mehr Chancen hat man. Falls man diesbezüglich Bedenken hat, kann man ausserhalb der Schulzeit (abends) oder in den Ferien bereits hier beginnen, nachzuhelfen, indem man eine der Gakushū Juku (学習塾) besucht, das ist das, was uns in vielen Animes im eng. sub als cram school begegnet. Also eine Art Nachhilfeunterricht, aber nicht nur, denn es wird auch, wenn man es will, weiterbildender Unterricht erteilt, der Stoff enthält, den die reguläre Schule nicht zu bieten hat. Diese Schulform wird auch in der nächsten Instanz sehr häufig genutzt bzw. muss zusätzlich genutzt werden, bei der es sich um die...
... Kōtō Gakkō oder kurz Kōkō handelt, die Oberschule / high school (高等学校 / 高校), die ebenfalls einen Zeitraum von 3 Jahren umfasst. Generell sind für diese Schulform Aufnahmeprüfungen zu bewältigen, wobei sich Ruf und Niveau der Schulen (vor allem der Privatschulen) in der Schwere der Aufnahmeprüfungen widerspiegelt. Meist versucht man die Aufnahmeprüfungen auch an mehr als nur einer Schule. Je besser die Schule, bei der man aufgenommen wird, ist, desto besser spätere Berufschancen, das spiegelt sich u.U. bereits in anspruchsvollen und teuren Schuluniformen wider, die aber nicht an allen Schulen Pflicht sind. Ca. 5.100 öffentlichen Oberschulen stehen hier bereits etwas mehr als 1.300 Privatschulen gegenüber, wobei die keineswegs immer alle in direkter Umgebung zu finden sind, sondern gerade in ländlichen Gebieten oft stundenlange Schulwege bedeuten können. Der Abschluss entspricht i.e. dem deutschen Abitur, wobei es aber keine Abschlussprüfung gibt, man besteht durch permanente Teilnahme am Unterricht.
Parallel dazu gibt es hier noch die Kōtō Semmon Gakkō oder kurz Kōsen, die (technische) Fachoberschule / technical college (高等専門学校 / 高専), die man bereits nach der Mittelschule besuchen kann und die in erster Linie dazu dient, den Bedarf an Fachkräften für die Industrie zu decken. Die Ausbildungszeit beträgt 5 Jahre. Davon gibt es ca. 60 öffentliche, aber nur 3 private.
Ein Grossteil der Schüler, die die Oberschule erfolgreich verlassen haben, möchte danach auf die Daigaku (Hochschule[大学]) [Universität / College] gehen, die 4 Jahre dauert und die man mit dem Bachelor (Gakushi / 学士) beenden kann. Die Aufnahmeprüfungen sind extremst (extrem reicht hier nicht) anspruchsvoll und sind für die meisten Aspiranten ein unüberwindbarer Stolperstein. Viele Schüler verbringen ein ganzes Jahr nur damit, allein für diese Aufnahmeprüfungen zu büffeln, wobei sie keine andere reguläre Schule besuchen (siehe den Anime Love Hina). Der Ruf der japanischen Hochschulen richtet sich danach, wie schwer ihre Aufnahmeprüfungen sind. 2010 gab es 3.7 Millionen Bewerber, immatrikuliert wurden davon lediglich 620.000, wobei ca. 10-15% aus Jahrgängen stammten, die bereits vor mehr als einem Jahr die Oberschule abgeschlossen hatten, die also mehr als ein ganzes Jahr für die Prüfungen gepaukt und sie mehr als einmal absolviert haben, wobei sie dann oft ihren Eltern auf der Tasche gelegen haben oder ihren Unterhalt durch Teilzeitjobs verdienen mußten. Es gibt ~ 780 Hochschulen, von denen ~ 600 private Träger haben, das sind dann hier mehr als 75% in privater Hand. In der Regel nimmt man nicht nur an einer Hochschule an solchen Aufnahmeprüfungen teil, sondern meist gleich an mehreren.
Wer es erst einmal dahin geschafft hat, kann es ruhiger angehen lassen, denn so schwer die Aufnahmeprüfungen auch sein mögen, die eigentlichen Ansprüche an die Studenten sind auf den normalen Hochschulen relativ gering. Im Gegenteil können sie sich hier meist ausgiebig ihrem Lieblingsthema widmen, was ihre Ausbildung betrifft. Dazu hat man meist noch sehr viel Zeit, um den teilweise beengten Verhältnissen zuhause zu entfliehen und z.B. Parties zu feiern.
Von den o.e. 620.000 Studenten schließen dann ca. nur noch 82.000 einen Daigakuin (Masterkurs [(大学院]) an, den man nach 2 Jahren mit dem Shūshi (Mastergrad / 修士) abschliessen kann, lediglich ca. 16.000 von den 82.000 machen dann noch mit einem Doktorkurs weiter, den man dann mit dem Hakase bzw. Hakushi (Doktortitel / 博士) beenden könnte.
Parallel bietet sich zu den regulären Hochschulen noch die Tanki Daigaku (短期大学) an, die Kurzhochschule oder das Junior College. Diese hat eine Dauer von 2 Jahren und doziert mehr nur Geistes- und Sozialwissenschaftliche Inhalte, weshalb sie auch von mehr als 60% Frauen besucht werden.
So, das war eine Einführung in das japanische Schulsystem und wohl einer der wenigen Posts ohne Bilder, aber auch so eine Information gehört eben dazu, will man einen möglichst großen Teil des "japanischen Kuchens" abbilden.