Key erwachte mit Kopfschmerz, drehte sich zur Seite und begann zu würgen. Doch anstatt sich zu übergeben, hustete sie einfach nur den Boden an. Durch ihre verquollenen Augen vermochte sie diesen kaum zu erkennen, obwohl der graue Untergrund nur eine Elle von ihrem Gesicht entfernt war.
Als der Hustenanfall gnädigerweise endete und Keys Sicht zurückkehrte, fiel Key die Struktur des Bodens auf. Es war gegossener Beton, der deutliche Abnutzungsspuren zeigte. Key hob den Kopf ein wenig und war in der Lage knapp einen Meter von sich entfernt ein Ablaufgitter am auszumachen, wie man sie sonst in Waschräumen zu Gesicht bekam.
"Wo...?", nuschelte Key benommen den ersten Teil der Frage, welche sich ihr stellte.
Wo zum Teufel war sie?!
Hektisch fuhr ihr Blick hoch, um auch den Rest des Raumes in Augenschein zu nehmen. Der Raum war kaum als solcher zu bezeichnen. Eher als Kammer oder - Key lief bei dem Gedanken ein Schauer über den Rücken - als Zelle. Rund dreieinhalb Meter lang und nur etwas über zwei Meter breit bot er nur wenig Platz. Insbesondere, zog man die Fläche ab, welche das einzigen Möbelstück - ein klappriges geschweißtes Metallbett mit speckigen Lacken - und eine Metalltoilette in Anspruch nahmen. Die Wände waren ebenso aus Beton, wie bereits der Boden. Es gab kein Fenster, nicht mal ein vergittertes. Sah mal einmal von dem lächerlich kleinem Abfluss im Boden ab, gab es offenbar nur einen Weg in den Raum hinein und aus ihm hinaus: Die Tür. Dabei handelte es sich eine massive Stahltür, mit einem verschließbaren - und verschlossenem - Guckloch und keinem von innen sichtbarem Schloss.
Man hatte Key ganz offensichtlich eingesperrte. Doch wo und warum?
Während sich Key noch diese Frage stellte, richtete sie sich auf dem Bett auf. Sie fühlte sich verschlafen, wobei immerhin der Kopfschmerz sich bereits legte. Ein unangenehmes Jucken veranlasste ihre Hand dazu, an Keys Hals zu fahren und dort zu kratzen. Sofort blieben die Finger an etwas metallischem hängen, das um Keys Hals lag.
"Was...?"
Keys Hände betasteten ein glattes Halsband, welches einmal um ihren Hals herum lief. So beunruhigend dies war, wurde Key davon abgelenkt, als sich mit einem mechanischem Klacken das Schloss der Zellentür drehte. Die Tür öffnete sich und ein Mann trat ein.
Ein weißer Kittel, eine Halbglatze mit einem Hof aus kurz gewachsenem Haar sowie ein Klemmbrett in seiner Hand samt zugehörigem Kugelschreiber schrieben dem Mann das Wort 'Doktor' regelrecht auf die Stirn. Und tatsächlich zögerte er keine Sekunde, sich als solcher vorzustellen.
"Hallo meine liebe Jane Doe. Ich bin Doktor Gaddsten, dein behandelnder Arzt"
Doktor Gaddsten machte keine Anstalten die Tür zu schließen. Stattdessen griff er noch einmal kurz nach draußen und hob einen alten Metallstuhl über die Schwelle, den er dann quietschend über den Boden zog, bis er schließlich so vor Key stand, dass der Doktor sich direkt vor sie setzen konnte.
Kaum hatte der Hosenboden des Mannes den Stuhl berührt, da schoss Key mit der nächstliegendsten Frage vor.
"Wo zum Teufel bin ich und was soll das ganze? Warum sollte ich einen Arzt brauchen?"
Der Doktor nickte wissend und warf einen Blick auf sein Klemmbrett, als würde er die Antwort dort ablesen müssen.
"Du bist hier im HellStrum Asylum, wo man dich aufgrund deiner psychotischen Gewaltbereitschaft eingewiesen hat"
"Was?", keuchte Key, "Das kann nicht stimmen! Das letzte, woran ich mich erinnere ist, wie ich von irgendwelchen Leuten verschleppt wurde. Ich möchte sofort freigelassen werden!"
"Das kann ich verstehen meine liebe Jane", sagte der Doktor, "Jedoch fürchte ich, es ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, dich gehen zu lassen. Ich habe hier die Kopie eines richterlichen Beschlusses dich einzuweisen und deine schwere Geistesstörung zu behandeln, die dich dazu brachte, einen ehrenhaften Polizisten und Familienvater auf kaltblütige Weise zu ermorden."
Das Klemmbrett schwebte einen Moment vor ihrer Nase, so dass Key einige Worte hätte aufschnappen können, wäre sie nicht so aufgeregt gewesen.
"Ich bin nicht gestört!", brachte Key aufgebracht hervor, wobei es ihr nur bedingt gelang, nicht laut zu werden, "Und mein Name ist Key"
Glaube ich zumindest, fügte sie dann noch in Gedanken hinzu.
"Außerdem", brachte sie mit nun gezwungen ruhigerer Stimme ein, "Kann ich mich nicht erinnern, vor Gericht gestanden zu haben und verurteilt worden zu sein."
Erneut dieses wissende Nicken des Doktors. Dieses mal legte Gaddsten beruhigend eine Hand auf Keys Knie bevor er sie aufklärte. Am liebsten hätte Key dem Mann dafür die Hand gebrochen, doch ein Gewaltausbruch würde sie kaum glaubwürdiger in der Behauptung machen, nicht verrückt zu sein. Stattdessen hörte sie ihrem Gegenüber zu und zwang sich ihm in die blauen Augen zu schauen.
"Da hast du recht... Key. - Key ist ein schöner Name, findest du nicht? - Ausschreitungen in Oldtown, bei denen es mehrere Tote und Verletzte gab und noch immer gibt, haben die Gerichte gezwungen, einige Prozesse wie deinen im Eilverfahren abzuwickeln, um die Last auf die Gerichte zu verringern."
Key schluckte. Hatte man sie tatsächlich einfach so verurteilt? War sie irgendwie durch die Finger dieser Schläger, die sie fertig gemacht hatten, an die Behörden geraten?
"Aber ich... ich... Ich möchte mit einem Anwalt sprechen. Ich habe das Recht mich zu verteidigen."
Tatsächlich hatte Key keine Ahnung vom Rechtswesen, aber es klang ihr nur fair, wenn sie die Möglichkeit hatte, sich gegen dieses Urteil zu wehren. Doch zu ihrem Leidwesen schüttelte Doktor Gaddsten den Kopf.
"Tut mir leid. Dein Urteil wurde bereits gesprochen. Du wirst bis auf weiteres - also bis zu deiner psychischen Genesung - in dieser Einrichtung verbleiben und behandelt werden. Leider sieht deine Behandlung keinen Kontakt zu Personen von außen vor - auch nicht zu Anwälten."
Da riss Key der Geduldsfaden, nicht zuletzt, weil die Hand Gaddstens noch immer auf ihrem Bein ruhte.
"Verdammt noch mal", schrie sie, "Ich lasse mich hier nicht einsperren!"
Wutendbrand fuhr Key vom Bett auf, wollte den Doktor aus dem Weg treten und einfach durch die Tür nach draußen laufen. Allerdings kam sie nicht mal vollkommen vom Bett hoch, bevor sie ein Stechen am Hals verspürte. Augenblicklich durchfuhr eine brennende Woge Keys gesamten Körper, ihre Muskeln verkrampften und sie fiel zurück aufs Bett, wo sie zuckend liegen blieb, unfähig sich auch nur einen Millimeter über die Zuckungen der Krämpfe hinaus zu bewegen.
Scham überkam Key, da sie nicht nur spürte, wie ihr Speichel aus dem Mundwinkel lief, sondern auch, wie der Stoff ihrer Hose und Unterhose schwer wurde, da er sich mit der warmen Flüssigkeit vollsog, die Keys Körper verließ.
Unfähig sich zu bewegen, aber sich ihrer Umgebung vollkommen bewusst, beobachtete Key von ihrer liegenden Position aus, wie der Doktor aufstand. Ob Gaddsten angewidert oder belustigt war, vermochte Key aus dem kurzen Aufzucken seiner Gesichtszüge nicht zu schließen.
"Nun... jetzt hast du auf jeden Fall schon mal eine der Besonderheiten unserer beschaulichen Einrichtung kennen gelernt, Key. Diese Beruhigungsarmbänder sorgen dafür, dass unsere Insassen nicht in einem Anflug der Frustration denjenigen schaden, die nur hier sind, um ihnen zu helfen - also den Pflegern und Ärzten. Eine Vorkehrung, die du, wie ich glaube, schon bald zu schätzen lernen wirst und die uns allen hier das Leben ein bisschen leichter macht."
Den Stuhl mit sich nehmend, schritt Doktor Gaddsten zur noch immer offen stehenden Tür.
"Das Serum wird nach einem Ausbruch, wie deinem soeben, in etwa drei bis vier Stunden seine Wirkung verlieren. Ich schlage vor, du nutzt diese Zeit der Ruhe, um darüber nachzudenken, wie du deine Zeit hier bei uns verbringen möchtest: In Frieden und mit angenehmen Zugeständnissen oder..."
Gaddsten ließ den Rest offen, doch er warf einen vielsagenden Blick auf die zuckende Key, bevor er nach draußen verschwand und die Tür sich schloss.