A Serbian Film:
Zuerst war ich auch ein bisschen ratlos, glaubte dann aber schon kurze Zeit später, den Sinn des Filmes verstanden zu haben. Um historische Vergleiche zu ziehen, fehlt mir die Kompetenz, aber ich erkenne in dem Film eine ganz eindeutige Sozialkritik, die sich in der Form äußert, dass uns hier eine absurd, nihilistisch verzerrte Karikatur der Gegenwart um die Ohren geklatscht wird, dass es nur so schallt. Vukmir ist der Mephisto, der die sexuell abartigsten Wünsche einer Konsumentenschaft erfüllt, die durch die Überreizung an Pornografie und Gewalt, die sich omnipräsent um uns herum befindet, verlernt hat, noch einfach zu 'fühlen'. So muss es immer weiter gehen, immer härter, tiefer, schneller, brutaler; schließlich kennt 'Kunst' ja keine Grenzen. Es ist der Wunsch einer deformierten Gesellschaft, die noch irgendetwas fühlen möchte. Wir sehen den 6-jährigen Jungen, der auf dem Sofa sitzt und sich Hardcore-Pornos ansieht, wir sehen den emotionslosen Sex zwischen Ehepartnern, der die distanzierte Härte eines Pornos aufweist, andererseits aber auch ein Bedürfnis nach Nähe ausdrückt, wir hören das kunstphilosophische Geschwafel Vukmirs, der die Gesellschaft als das erkennt, was es ist, ein aufgegeiltes, gewalthungriges Etwas, dass nicht mal mehr Emotionen als solche wahrnehmen kann und nur noch die Sahne ins Taschentuch abspritzen kann. Und er erkennt, dass die einfache Pornografie nicht mehr das zu leisten imstande ist, was früher einmal gereicht haben mag. Es geht nun um Leben. Es geht um Opfer. Allein in der Horrorfilm-Szene lässt sich diese Gewaltpotenzierung, diese Jagd nach dem "Mehr" gut beobachten. Terror-Kino, Torture-Porn, Amateur-Snuff, die Welt giert nach Mehr. Die logische Konsequenz wird uns nicht nur in Form des "Newborn-Porn" präsentiert, sondern auch in zahlreichen anderen Anspielungen, die für jeden Gorehound, der die Kritik verstanden hat, einen Schlag ins Gesicht darstellen.
Ein mächtiger Film, ein brutaler Film, der "Cannibal Holocaust" nicht unähnlich genau das kritisiert, was er selbst anwendet. Er klagt uns ob unserer Gewaltgeilheit an und ist selbst Objekt eben dieser Begierden. Man könnte über diese bittere Ironie lachen, wenn es nicht zu traurig wäre. Wer den Film jedoch auf seine Gewalt reduziert, verkleinert die Idee dahinter. Eine Schande und doch irgendwie ein Glück, dass der Film gerade wegen seiner Gewaltdarstellung so berühmt berüchtigt geworden ist. Ob man den Film nun gut finden darf, oder nicht, muss jeder für sich selbst beantworten.
Ich persönlich halte ihn für einen der intelligentesten und verstörendsten Horrorfilme seit "Salò - Die 120 Tage von Sodom". Anschauen auf eigene Gefahr!
9/10
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