Wiedersehen
Sicherlich ich war einige Zeit fort und habe mich seit damals garantiert verändert. Nicht nur im Aussehen, sondern auch im innern habe ich einige Veränderungen erfahren, aber wen wundert das schon, bei dreizehn Jahren. Doch jetzt bin ich wieder da... Größer, älter erfahrener und mir wird diesesmal nicht derselbe Fehler passieren wie damals, als ich fortlief...
Wir schrieben das Jahr 1823 und meine verarmten Eltern hatten Streit mit einem benachbarten Rinderbaron, der unser Weideland brauchte, um seine eigenen riesige Rinderherde füttern zu können. Nach etlichen kleineren Reibereien hatte er mehrere Desperados angeheuert welche meiner Familie beim Viehtrieb aufgelauert hatten. Ich war gerade erst 17 Jahre alt geworden und ritt nicht das erste Mal mit, aber diesesmal mit meinem eigenen Colt. Ein Peacemaker war es und er lag so schwer in meiner zittrigen Hand nachdem die drei Halunken meinen Vater und meine zwei älteren Brüder kaltblütig und hinterrücks erschossen hatten. Meine Mutter war feige geflohen und ich sollte es ihr gleichtun, weil ich auch nicht anders konnte. Vor lauter Angst...
Die darauf folgenden Jahre glichen einer einsamen Odyssee durch den gesamten amerikanischen Westen. Ich verdingte mich als Büffeljäger, diente ein paar Jahre bei der Armee und versoff und verhurte mein Geld immer wieder in den übelsten Spelunken, die man nur aufsuchen konnte. Mein Leben glich einer ständigen Suche nach dem Tod. Ich wollte sterben und dazu kam mir jedes Himmelfahrtskommando gerade recht. Keine Schlägerei und kein Kampf mit dem Messer oder dem Schießeisen ließ ich aus und wie durch eine göttliche Fügung überlebte ich alles, wenn auch oftmals nur knapp, doch immer kam ich mit dem Leben davon. Doch spurlos, also ohne sichtbare und unsichtbare Narben, ging diese Zeit nicht an mir vorüber...
Und nun stehe ich hier schon seit knapp zwei Stunden in diesem Saloon und High Noon nähert sich unumstößlich. Links von mir sitzen sie, die drei Kerle von damals. Älter, härter vielleicht, aber auf jeden Fall unwissend darüber, wer ich bin. Heute Mittag erfolgt sie... die langersehnte Rache, mit der ich nicht mehr im geringsten gerechnet hatte. Zu charakterlos war ich all die Jahre, als das ich sie extra dazu hätte suchen wollen. Aber nun da sich mir diese Chance durch des Schicksals Fügung gebotene Möglichkeit wollte ich nicht ungenutzt verstreichen lassen. Ich zahlte und ging nach draußen, bereit sie beim Verlassen des Schuppens einfach so ohne mit der Wimper zu zucken niederzuschießen. Danach wollte ich ihnen noch beim Sterben meinen Namen ins Ohr flüstern und sie einfach mit ihren ungläubigen und starr werdenden Blicken in den wolkenlosen Himmel zurücklassen. Doch zuerst hörte ich, wie sie sich erhoben und ihre Stühle dabei über die Bretter des Saloonbodens zurückrutschten. Die Holzflügel der Schwingtüren öffneten sich ruckartig nach außen und ihre Schritte hinterließen ein Knarren der Verandadielen. Ich zog meine Waffe, doch diesesmal war meine Hand ruhig und sicher. Ich hob sie und spannte den Hahn...
Da gellte plötzlich ein Schrei durch die Stadt: "Pete! Pete Winslow! Du Sohn einer läufigen Hündin..."
Die Köpfe der Mörder meiner Familie zuckten herum und ihre Hände zuckten in Richtung ihrer Pistolen, doch ich zögerte keine Sekunde und mit drei krachenden Schüssen, deren Klang noch in der Ferne der nahen Berge wiederhallten, schoß ich sie allesamt und ohne zu Zögern über den Haufen...
Der Mann, der mich gerufen hatte, war ein ehemaliger Kamerad aus unser gemeinsamen Zeit bei der Army. Leider verlief und endete unser zufälliges Wiedersehen in diesem trostlosen Kaff sicherlich nicht ganz so, wie er es sich im Augenblick seines Rufens vorgestellt hatte. Ich wurde drei Tage später des dreifachen Mordes wegen nach damaligem Recht und Gesetz verurteilt und gehängt, doch was aus ihm wurde, weiß ich aber aus leicht nachvollziehbaren Gründen nicht mehr zu berichten...
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