Du denkst diesen Fall aber nicht ordentlich zu Ende.
Ich gehe soweit mit, dass Treue nicht über den Beginn einer Beziehung entscheidet aber Treue ist unerlässlich zum Erhalt dieser Beziehung.
Drehen wir uns da nicht im Kreis? Aus einer funktionierenden Beziehung folgt Treue und diese bestätigt die Beziehung in sich. Das ist ja so weit trivial. Doch was ist Treue? Ist es nicht etwas, was jeder für sich selber definiert? Wo beginnt Untreue? Da, wo ich einen anderen Menschen ansehe? Wo ich jemand anderen berühre? Wo ich jemand anderen umarme oder küsse? Oder wo ich Sex mit ihm habe?
Die Grenzen sind so fließend, dass du niemals pauschal sagen kannst "das ist Treue und das nicht", denn du weißt nie, was ein Mensch zu einer Handlung getrieben hat, oder was seine Motivation ist (es sei denn, du hast gelernt, Gedanken zu lesen). Vielleicht hat er/sie Sex mit anderen, fühlt sich aber dennoch seinem Partner verbunden und empfindet nur ihm gegenüber Liebe. Was ist dann damit? Ist emotionale Treue also vom Prinzip der Treue ausgenommen und hat nichts zu bedeuten?
Ist Treue dann etwa nur eine Formsache?
Wer in einer Beziehung nichts vermisst, ist jedoch nicht von Untreue gefeit. Treue ist eine Wesenseinstellung, ein Prinzip. Wer in einer Beziehung Oralsex wünscht, ihn aber - aus welchen Gründen auch immer - nicht bekommt, sollte den Mut und vor allem die Ehrlichkeit haben die Beziehung zu beenden.
So weit stimme ich dir zu, aber man sollte doch bis zur Trennung wenigstens versuchen, alle Alternativen durchzugehen. Und eine Alternative kann auch die Öffnung der Beziehung sein, damit beide Partner eben anderweitig auf ihre Kosten kommen können. Warum sollte man denn etwas, was auf Liebe aufgebaut ist wegen der Unzulänglichkeiten eines (oder beider) Partner(s) einfach so aufgeben? Der größte Liebesbeweis wäre natürlich, beim Partner zu bleiben und auf dieses Bedürfnis, was nicht befriedigt wird, zu verzichten. Aber Hand aufs Herz: Welcher Mensch kann das schon?
Und jetzt kommt der springende Punkt: Wer traut sich denn wirklich eine Beziehung zu beenden, weil der Oralsex nicht passt und dies auch offen zu sagen? Hier kommt zur Untreue auch noch Feigheit hinzu. Wenn also das gelegentliche Blasen nicht derart vermisst wird, dass es dafür lohnt eine Beziehung zu beenden, dann kann jede Ausrede die im Anschluss zur Untreue geführt hat, nur ein sichtbares Zeichen von persönlicher Unzulänglichkeit sein.
In der Beziehung Kompromisse zu finden gehört zum Willen einer guten Partnerschaft. Wenn zwei Individuen zusammentreffen, wird es immer Reibungspunkte geben. Eine Beziehung deswegen aufzubrechen, weil die Fähigkeit zur Rücksicht fehlt ist kein Zeichen von Unterdrückung. Wer den Verzicht auf Oralsex als persönliche Niederlage versteht, der sollte die Beziehung beenden und zwar in ihrer ganzen Konsequenz.
Hier kippst du das Kind mit dem Bade aus und nennst den Extremfall. Ausgehend von deinem Fallbeispiel muss ich dir Recht geben. Was ist aber in Fällen, wo Gefühle eine Rolle spielen? Wo man den Partner liebt und dennoch (um mal beim Beispiel Oralsex zu bleiben) diese Aktivität aber bitter vermisst, ja sie vielleicht sogar zum glücklichen Ausleben der eigenen Sexualität benötigt? Wo du dann mit der Zeit gezwungen wirst, dich einerseits zwischen deinem Partner, den du doch liebst und deinem eigenen Wohl zu entscheiden?
Kann das der Sinn einer Beziehung sein, dass man entweder sich selbst verliert, oder aber (im Willen sich selber treu zu bleiben) die Wertstellung der Liebe immer mehr reduziert, weil man gleich wegen jeder Unstimmigkeit die Beziehung beendet? Ich finde nicht.
Tauschen wir den Oralsex nur zum Beispiel gegen den Wunsch Kinder zu kriegen aus, so hätte jeder Verständnis dafür die Partnerschaft aus diesem Grund zu beenden, wenn der Andere in Zukunft keinen Nachwuchs möchte. Der Frau untreu zu werden um mit einer anderen ein Kind zu bekommen? Wie oft hat man davon schon gehört?
Es ist also alles eine Frage der Ehrlichkeit. Ehrlichkeit zu sich selbst, seinen Bedürfnissen und dem Gefühl der behaglichen Nestwärme auf der anderen, in die man zurück kehrt, nachdem von der x-beliebigen Alten einen geblasen bekommen hat.
Schlusswort: Untreue Menschen sind feige Menschen.
Das stimmt in 90 % aller Fällen. Allerdings gibt es auch diejenigen, wo der Kompromiss daraus besteht, dem Partner gewisse Freiheiten (wie z.B. Sex mit anderen) zu erlauben. Was ist daran dann noch feige?
Sicher, wir reden hier über Ausnahmen, jedoch sollten wir auch die nicht ganz außen vor lassen und uns davor hüten, alles und jeden über einen Kamm zu scheren.